Direkt zum Hauptbereich

Buchrezension „Der letzte Führerscheinneuling: ... ist bereits geboren.“


Der erste Teil des Buchs von Dr. Mario Herger, der seit mehr als 15 Jahren im Silicon Valley lebt, befasst sich mit Elektromobilität. Der Autor ist der festen Überzeugung, dass das Zeitalter des Verbrennungsmotors vorbei ist und in einigen Jahren nur mehr Fahrzeuge mit Elektroantrieb unterwegs sein werden. Damit mag er natürlich Recht haben, doch deswegen habe ich das Buch nicht gekauft; ich habe enormes Interesse am Thema „autonomes Fahren“ und so war für mich erst der zweite Teil des Buchs so richtig spannend.

Selbstfahrende Autos sind das „nächste große Ding“ nach der Einführung des Smartphones. Herger vergleicht unsere Gegenwart mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals, kurz nach der Erfindung des Automobils, als die meisten Straßen noch voller Pferdekutschen waren, konnte sich niemand auch nur ansatzweise vorstellen, wie die Welt 15 Jahre später aussehen würde. Doch dann trat das legendäre Ford Modell T seinen Siegeszug an und war mehrere Jahrzehnte lang das meistverkaufte Auto der Welt. Und in Folge des Ford T übernahm das Automobil die führende Rolle im menschlichen Mobilitätsverhalten.

Vor einer ähnlichen Revolution der Mobilität stehen wir auch heute. Alle Neuwagen verfügen bereits jetzt über diverse Assistenzsysteme (wie adaptiven Tempomaten, Einpark-Assistenten, Notbrems-Assistenten), doch kaum jemandem ist bewusst, wie weit die Entwicklung selbstfahrender Kraftfahrzeuge bereits gediehen ist. Hierbei zeigt der Autor mit sehr ausführlichen Quellenangaben einen wesentlichen Unterschied zwischen den USA und Europa auf: während bei uns nur die Risiken und Gefahren der neuen Technologie gesehen werden und man entsprechend vorsichtig mit dem Zulassen von Tests agiert, erblickt man in Amerika primär deren Chancen und Potentiale. Schon seit mehreren Jahren sind Tests autonomer Fahrzeuge in vielen US-Bundesstaaten auf öffentlichen Straßen flächendeckend zulässig, seit April 2018 muss in Kalifornien nicht einmal mehr ein menschlicher „Aufpasser“ mit an Bord sein.

Europa hinkt hier gewaltig hinterher, in Österreich gibt es gerade einmal die kurze Teststrecke am Autobahnteilstück zwischen dem Knoten Graz-West und Laßnitzhöhe. Nach Einschätzung des Autors werden die europäischen Autohersteller massiv dafür büßen, denn der technologische Vorsprung von Herstellern wie Tesla oder Waymo (einer Schwesterfirma von Google) sei mittlerweile zu groß.

Der Autor behandelt in einem weiteren Kapitel ausführlich, welche Berufe in den kommenden fünfzehn Jahren gänzlich verschwinden werden oder zumindest heftig bedroht sind. Ein exemplarisches Beispiel: während in Österreich derzeit ein Rechtsstreit zwischen den Wiener Taxiunternehmen und Uber-Fahrer/inne/n tobt, sind in manchen amerikanischen Städten schon längst selbstfahrende Robotertaxis von Uber unterwegs. Um es mit Herger zu sagen: die Taxis von heute sind die Pferdekutschen von 1900.

Vielleicht wird nicht jede Zukunftsprognose von Mario Herger eintreten, doch ich kann euch dieses Buch wirklich sehr empfehlen. Man merkt beim Lesen buchstäblich auf jeder Seite, wie intensiv sich der Autor mit dem Thema Elektromobilität und mit autonomen Fahrzeugen beschäftigt hat. Nachdem man das Buch gelesen hat, versteht man zudem besser, wie eine disruptive Innovation oder Technologie sogar einen Weltmarktführer rasch zu Fall bringen kann. In zwei Punkten hat Herger nämlich jedenfalls Recht: erstens kann das Schicksal von Firmen wie Kodak oder Nokia auch jedem Autohersteller blühen, wenn er nicht rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkennt.

Und zweitens – und das ist meines Erachtens der wichtigste Aspekt – wird es dank der selbstfahrenden Autos viel weniger Verkehrsunfälle geben als derzeit. Die aktuellen Zahlen sind schließlich ein Horror, obwohl sich kaum jemand darüber aufregt: im Jahr 2017 gab es 413 Verkehrstote in Österreich und 3.177 Verkehrstote in Deutschland. Bei den meisten Verkehrsunfällen spielt menschliches Versagen eine große Rolle: alkoholisierte Fahrzeuglenker, Ablenkung (zum Beispiel durch Smartphones) und überhöhte Geschwindigkeit sind nur drei Beispiele. Dank der autonomen Fahrzeuge wird die Menschheit der „Vision Zero“ mit null Verkehrstoten jedenfalls so nahe kommen wie nie zuvor – und das ist auch gut so.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Impressum

Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Jochen Schönberger Heinrichstraße 118/W4 8010 Graz jochen.schoenberger@gmail.com

Konzept für ein U-Bahn-Netz in Graz

Ausgangslage Pro Tag werden im Stadtgebiet von Graz vier Millionen Kilometer mit Autos zurückgelegt; dies ist viel zu viel, wenn die Republik Österreich ihre Klimaschutzziele erreichen möchte. Das Übereinkommen von Paris vom 12.12.2015 muss durch innerstaatliche Maßnahmen zum Leben erweckt werden. Dazu zählt der Bau eines U-Bahn-Netzes in Graz, mit dem Ziel, die Anzahl der mit PKW zurückgelegten Kilometer im Ortsgebiet in den nächsten 15 Jahren zu halbieren.